Reiten ist nicht gleich Reiten
- Chantal Kunz
Beim Reiten hat man nie ausgelernt, heisst es. Das stimmt meiner Meinung nach auch. Doch es gibt einen riesigen Unterschied von reiten und auf dem Pferd sitzen. Den habe ich selber erlebt. Doch es braucht Training, Training, Training und dann nochmals Training um alles zu verinnerlichen.
Ich reite seit 23 Jahren und besitze auch ein eigenes Pferd. Dieses ist absolut anständig, eine richtige Lebensversicherung. Die Stute aber richtig schön, also über den Rücken, zu reiten, ist nicht ganz einfach. Jedoch kennt man sein eigenes Pferd irgendwann so gut, dass man weiss, welche Knöpfe man drücken muss, damit es funktioniert. So sind wir beide die letzten Jahre ziemlich gut miteinander zurechtgekommen. Da mein lieber Vierbeiner nun aber schon etwas älter ist, begann ich vor knapp einem Jahr mit externem Reitunterricht, um mich selber weiterzubilden. Und ich muss sagen, wie ich jetzt reite ist ein himmelweiter Unterschied zu meinem Reitstil vor dem externen Unterricht.
Mein Reitstil vor dem intensiven Training.
Der Sitz
Mir war schon lange klar, dass ein korrekter Sitz wichtig ist. Warum man aber genau die Absätze nach unten drücken oder die Schulterblätter zurücknehmen soll, war mir nicht bewusst. Ich habe mir aber ehrlich gesagt auch nicht wahnsinnig viel Gedanken darüber gemacht. Doch dann wurde ich getrimmt, wirklich korrekt auf dem Pferd zu sitzen. «Absätze tief, das Knie locker, im Becken mitschwingen, die Hände bleiben aber ruhig vor dem Sattel stehen. Blick nach vorne und die Schulterblätter zurück», hiess es regelmässig. Dadurch, dass ich die Schulterblätter zurücknahm, konnte ich auch plötzlich die Hände ruhiger halten. «Aha, ja klar, das macht ja eigentlich Sinn, denn dann sind die Arme lockerer und die Hände können losgelöst vom Rest des Körpers stehen bleiben», dachte ich mir sofort. Sofort machte das Zurücknehmen der Schultern Sinn, wodurch ich dies auch automatisch besser umsetzte. Doch damit, meine Beine ruhig zu halten, hatte ich noch immer meine Mühe. Ich hatte aber eine gute vierbeinige Lehrmeisterin. Sie konnte bei einer unruhigen Hand oder eben, unruhigen Beinen, etwas nervös und angespannt werden. «Beim Leichtreiten musst du nur deine Wade anspannen, nicht jeden Schritt treiben oder denken, du musst die Beine am Pferdekörper halten. Spanne nur die Wade an», erklärte mir meine Trainerin. Und siehe da, meine Beine lagen ruhiger am Pferd, welches sofort entspannter lief.
Mein Sitz nach dem Training.
Neues Gefühl
Immer mehr hatte ich das Gefühl, das Pferd nicht nur zu lenken, sondern wirklich zu reiten. Ich konnte es plötzlich schneller und korrekter an den Zügel reiten und vor allem verringerte sich mein Aufwand. Zuvor hatte ich teilweise das Gefühl, einen Kraftakt zu vollbringen. Besonders bei Pferden, die nicht von sich aus fleissig vorwärtsliefen. Da war ich ständig am Treiben, wodurch ich keinen lockeren Sitz mehr hatte. Und beim Absteigen fielen mir die Beine fast ab. In den Trainings habe ich nun gelernt, das Pferd selber laufen zu lassen. Wenn es dies nicht von Beginn an tut, gebe ich die korrekten Hilfen. Reagiert es nicht, kommt die Gerte zum Einsatz. Reagiert der Vierbeiner dann wie gewünscht, lasse ich es laufen. So wurde das Reiten für mich viel entspannter.
Unterstützung
Wichtig, um einen korrekten Sitz zu erhalten, ist die Unterstützung. Ich bin zuvor meistens alleine geritten. Auch wenn es in den Reithallen Spiegel zur Überprüfung gibt, kann man sich selber niemals so korrigieren, wie jemand, der in der Mitte steht und alles sieht. Auch die Beharrlichkeit dieser Person, des Trainers oder der Trainerin, trägt viel zu einem guten Sitz bei. Als ReiterIn kann man nicht alles sofort umsetzen, beziehungsweise so verinnerlichen, dass man es nach einer Stunde korrekt ausführt. Bei mir war es jedenfalls so, dass ich das Zurücknehmen der Schultern und das Abstellen der Hände schon fast wieder vergessen habe, sobald ich mich auf die Losgelassenheit meines Beckens, die lockeren Knie und den tiefen Absatz konzentriert habe. Mit jeder Lektion konnte ich diese Bewegungen und Haltungen jedoch mehr verinnerlichen. Zusätzlich bringt es mir sehr viel, verschiedene Pferde zu reiten. So muss ich mich jedesmal wieder auf das Wesen anpassen. Ich habe jedoch schnell gemerkt: Ein korrekter, ruhiger und losgelassener Sitz mit korrekten und konsequenten Hilfen erleichtert mein Reiterleben unbeschreiblich. Jedes Pferd mag konkrete Signale und einen ruhigen Reiter, der Sicherheit ausstrahlt.
Anmerkung: Auch sind Sitz und Hilfen noch nicht perfekt, denn: Beim Reiten hat man nie ausgelernt.