Vom Kindergarten bis zum Altersheim
- Chantal Kunz
Pferde verbringen ihre Zeit als Fohlen meistens im Kindergarten, also auf der Fohlenweide. Sie lernen dort spielerisch den Umgang in der Herde. Oft schliesst sich der Kreis, wenn alte Pferde ihren Lebensabend auf einer Altersweide verbringen. Auch dort sind sie mit Gleichgesinnten zusammen. Den richtigen Platz für die Tiere zu finden ist aber für deren Besitzer nicht immer ganz einfach.
Das Angebot an Fohlenweiden ist gross. Doch es lohnt sich, die Auswahl der passenden Weide sorgfältig zu überdenken. Denn mit einer artgerechten Aufzucht wird ein wichtiger Grundstein in der Entwicklung der Pferde gelegt. Bei den Fohlenweiden gibt es solche, die nach Jahrgängen aufgebaut sind. Im Gegensatz dazu stehen die Herden mit Tieren verschiedenen Alters. Dies können verschieden alte Fohlen sein, oder auch Fohlen zusammen mit erwachsenen Tieren. Bei letzterer Herdenform sagen viele, dass die Jungtiere viel von den Erwachsenen lernen können. Eine andere Konstellation ist die Trennung nach Geschlechtern. Neben dem Weg vom Wohnort ist auch die Beschaffenheit einer Fohlenweide jeweils ein Entscheidungskriterium. Die Tiere brauchen vor allem viel Bewegung, also sollten sie möglichst viel Platz haben. Ausserdem bieten verschiedene Untergründe eine gute Übung zur Stabilität und Trittsicherheit der Tiere. Weiter sollte der Stall die Anforderungen an einen Offenstall erfüllen. «Neben genügend Bewegung wäre für mich die Pflege der Tiere ein wichtiges Kriterium für die Wahl einer Fohlenweide», sagt Sybil Lüthi, Betreiberin der Fohlenweide Bodensee.
Von den Erwachsenen lernen
Auf der Fohlenweide Bodensee wachsen die Jungtiere in gemischtaltrigen Herden in einem grossen Gruppenlaufstall auf. Rund ein Drittel der Pferde in der Herde sind erwachsene Tiere. «Wir machen hier immer wieder die Erfahrung, wie positiv sich das Zusammenleben der Fohlen mit den älteren Tieren auf die Entwicklung auswirkt. Die Erwachsenen weisen aufmüpfige Jungtiere zu recht, geben aber unsicheren Fohlen genügend Sicherheit», bestätigt Sybil Lüthi.
Auch habe sie beobachtet, dass die Fohlen in der gemischtaltrigen Herde weniger krank sein. Das starke Immunsystem der älteren Pferde gäbe da einen Ausgleich zum noch schwächeren Immunsystem der Fohlen. Den Tieren steht jederzeit ein frei zugänglicher, befestigter Auslauf in der Grösse von 1200 Quadratmetern zur Verfügung und durch genügend Weideflächen ist ein ganzjähriger Weidegang möglich. Gefüttert wird mittels computergesteuertem System. Dieses beinhaltet zwei Rauhfutter- und eine Kraftfutterstation. Mittels Chip im Halsband der Tiere kann die Fütterung individuell abgestimmt werden. «Um den jüngeren Fohlen in den grasarmen Wintermonaten eine ad-libitum Heufütterung zu ermöglichen, steht steht ihnen mittels Zugangsselektion ein zusätzlicher Auslaufbereich mit Heuraufe zur Verfügung», erklärt die Lühti den Betrieb. Mehrmals täglich werden die Fohlen auf der Fohlenweide Bodensee kontrolliert. «Wir nehmen die Jungtiere auch regelmässig raus, üben das Anhalftern, das Führen und das Anbinden. Sie werden geputzt und die Hufe werden ausgekratzt, um das Fohlen-ABC zu festigen.»
Verladetraining oder altersentsprechende Bodenarbeit sei nach Absprache ebenfalls möglich. «Die Hufpflege erfolgt nach individuellem Bedarf», erklärt Sybil Lüthi. Auch für die Entwurmung wird gesorgt: Viermal jährlich werden die Fohlen entwurmt, zudem werden regelmässig Kotrpoben entnommen. Geführt wird der Betrieb von Sybil und Christian Lüthi seit 2010.
«Meine Leidenschaft für Pferde habe ich schon als Kind entwickelt», sagt Sybil Lüthi.
So haben die beiden 2009 den Betrieb der Grosstante in Neukirch (TG) übernommen und Fohlenweide und Pensionsstall gegründet. Auch die Tierarztpraxis von Sybil Lüthi befindet sich auf dem Betrieb, wie auch die Ausbildungskurse, die sie mit ihrem Mann anbietet, in Neukirch (TG) stattfinden.
Wenn Pferde pensioniert werden
Wann und ob ein Pferd auf eine Altersweide umziehen soll, hängt nicht in erster Linie vom Alter ab, sondern von den gegebenen Umständen. Einige Pferde können bis ins hohe Alter geritten werden, andere werden durch eine Erkrankung oder einen Unfall schon früher unreitbar. Zu empfehlen ist sicherlich, dass das Pferd bei einem Umzug auf eine Altersweide noch so fit ist, dass die Integration in die Herde erfolgen kann.
Familienbetrieb
Die Familie Honegger betreibt einen Betrieb mit Altersweide in Hinwil (ZH). Seit 25 Jahren beschäftigen sie sich mit der Pferdehaltung. «Unser Hof ist eine Pferdepension für Tiere, die ihren letzten Lebensabschnitt angehen und ihren wohlverdienten Lebensabend geniessen dürfen», sagt Beat Honegger. Die Tiere leben in einer Gruppe von aktuell 21 Tieren. Ihnen steht ein heller Laufstall mit Platz für 25 Pferde zur Verfügung. Dabei erhalten sie täglichen Auslauf und Weidegang auf den drei mal zwei Hektaren. «Im Sommer sind sie in der Nacht auf der Weide und tagsüber im Stall. Die restliche Zeit ist es umgekehrt.»
Wichtig sei, dass sich die Pferde aus dem Weg gehen können, ob im Stall oder auf der Weide. «Deshalb haben wir Futter- und Wasserstation verteilt, damit auch die schwächeren Tiere zum Fressen und Trinken kommen», erklärt Beat Honegger. In den Fressständen können die Pferde in Ruhe fressen, ohne von anderen gestört zu werden. Geplant sei nun ein neuer Stall, der Platz für 30 Pferde bieten soll.
Zur Altersweide sei es im Jahr 2007 gekommen: «Jemand fragte mich, ob ich eine Boxe für einen alten Haflinger hätte. Als dies funktionierte und der Haflinger sich pudelwohl fühlte, meinte die Besitzerin, wir sollen doch eine Altersweide eröffnen», erinnern sich Ruth und Beat Honegger. Da es im ganzen Kanton Zürich noch keine Altersweide gab, haben sie den einen Kuhstall, der nicht mehr genutzt wurde, umgebaut und eine Homepage erstellt. «Mit dem Einschlagen des letzten Nagels ist auch das erste Pferd eingezogen», sagt Honegger. Alle sechs bis acht Wochen bearbeitet ein Hufpfleger die Hufe, zweimal im Jahr werden die Tiere entwurmt und die Zähne werden jährlich vom Tierarzt kontrolliert und bearbeitet. Willkommen sind alle Pferde mit Stockmass von mindestens 120 Zentimetern ohne Hufeisen.
Leben mit dem Tod der Tiere
Der Haflinger, der damals einen Platz suchte, ist bei der Familie Honegger 39 Jahre alt geworden. «Wechsel, im Sinne, dass Pferde den Hof wieder verlassen, haben wir wenig. Das ist uns auch wichtig, da jeder Wechsel Unruhe in die Herde bringt», erklärt Ruth Honegger. Deshalb bieten sie den Pferden auch einen ruhigen Lebensabend, und nicht ein Ort, um sich auszukurieren. Das bedeutet aber, dass der Tod oft ein Thema ist:
«Die Pferde schlafen selten einfach ein und sterben.»
«Ein paar wenige Fälle hatten wir, in denen ein Pferd auf der Weide oder im Stall an Herzversagen gestorben ist.» Meistens aber müssen sie eingeschläfert werden, da sie altershalber schwach werden, einen Hirnschlag, Zerchfell-,Muskel- oder Bänderriss haben oder nicht mehr aufstehen können. «Oft lassen die Besitzer uns dann entscheiden, da wir in den Jahren die Bezugsperson des Pferdes geworden sind», erklärt Beat Honegger. Nicht alle Besitzer seien in einer solchen Situation anwesend, vielen gehe das Einschläfern doch sehr nahe. «Uns lässt das natürlich auch nicht kalt, aber wir haben einen anderen Bezug zu diesen Pferden und sind öfter mit dem Tod konfrontiert. Meistens sind die Tiere dann sehr ruhig, da auch wir ruhig sind und sie uns gut kennen.» Damit sich die Herde vom verstorbenen Pferd verabschieden kann, lassen die Betreiber der Altersweide dessen Körper noch ein paar Stunden liegen. «Die Tiere schnuppern am leblosen Körper und wissen dann, was passiert ist. So ist aber nie eine Unruhe, für die Herde ist alles klar und sie akzeptieren es.»
Bei diesem Artikel handelt es sich um eine Zweitpublikation.